Trumps Mugshot: Ein unnötiges Foto für die Ewigkeit (2024)

Polizeifotos amerikanischer Berühmtheiten gibt es viele: etwa von Martin Luther King, Frank Sinatra oder Bill Gates. Donald Trumps Mugshot ist indes der erste eines früheren Präsidenten. So verpönt die Bilder heute sind, für den Volkstribun ist es ein PR-Geschenk.

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Drei Mal musste sich Donald Trump in diesem Jahr bereits der Justiz für eine kurze Verhaftung und eine Verlesung der Anklage stellen: in New York, in Miami und in Washington. Jedes Mal verzichteten die Behörden aus gutem Grund auf das traditionelle Polizeifoto – den sogenannten Mugshot. Die Nachteile dieses Prozederes überstiegen schlicht die Vorteile. Es existieren genügend andere Fotos des ehemaligen Präsidenten, um ihn jederzeit identifizieren zu können. Ein vorverurteilender Mugshot, das war klar, würde nur Trumps Selbstinszenierung als Justizopfer dienen und seine «street credibility» unter seinen Anhängern weiter stärken.

In Georgias Hauptstadt Atlanta, dem Ort seiner vierten Anklage, nahmen die Behörden auf solche Überlegungen jedoch keine Rücksicht. Solange er keine anderen Anweisungen erhalte, werde er Trump genau gleich wie alle anderen Tatverdächtigen behandeln, erklärte der zuständige Sheriff Pat Labat. Und so geschah es dann auch. Genau wie seine Mitangeklagten, unter ihnen etwa der frühere New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani oder sein früherer Stabschef Mark Meadows, wurde auch Trump abgelichtet.

Ein Sinnbild für die Spaltung der USA

Kurz nachdem das Büro des Sheriffs am Donnerstag das Bild veröffentlicht hatte, verbreitete es Trump im Internet. Erstmals, seit sein Zugang vor über zwei Jahren gesperrt worden war, nutzte der ehemalige Präsident dafür seinen Account auf dem Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter). Mit leicht gesenktem Kopf blickt Trump etwas grimmig und dennoch kämpferisch in die Kamera. Mit einem Hinweis auf die Website seines Wahlkampfes steht unter dem Foto in grossen Buchstaben: «Einmischung in die Wahlen. Niemals aufgeben!»

Zwar verdiente Trumps Wahlkampagne auch zuvor bereits Geld mit dem Verkauf von T-Shirts, auf denen ein gefälschter Mugshot des ehemaligen Präsidenten zu sehen ist. Doch dieses fabrizierte Bild sei kraftlos, schreibt der «Economist». «Das Wesentliche des Mugshots ist die Authentizität.»

«In dem Moment seiner Entstehung wurde es faktisch zum Bild des Jahres», kommentiert ihrerseits die «New York Times». Unabhängig von ihrer fotografischen Qualität ist es eine Aufnahme für die Ewigkeit und ein Sinnbild für die gesellschaftliche Spaltung der USA. «Es ist entweder ein Symbol für das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz oder dessen Missbrauch – das ultimative Mahnzeichen einer normbrechenden Präsidentschaft», meint die Autorin.

Einen wirklich praktischen Nutzen hat das Foto derweil kaum. Die Aufnahmen bisher nicht verurteilter Personen sind im heutigen Zeitalter der Fingerabdrücke und DNA-Proben polizeilich von geringerer Bedeutung. Vor allem bei einer solch bekannten Person wie Trump. Seine Wurzeln hat der Mugshot im 19.Jahrhundert. Alphonse Bertillon, ein Kriminalbeamter in Paris, systematisierte in den 1880er Jahren die Erfassung von Gesichtsmerkmalen mithilfe der Fotografie. An der Weltausstellung in Chicago 1893 wurde das «Bertillon-System» in den USA präsentiert. Bald konnten Bürger in amerikanischen Polizeiposten sogenannte «Gauner-Gallerien» einsehen, um sich die Bilder verhafteter Personen anzuschauen.

Aufgrund ihrer stigmatisierenden Wirkung sind Behörden und die Medien heute jedoch zurückhaltender bei der Verbreitung von Mugshots geworden. So erklärte etwa der Polizeichef von San Francisco, dass er Mugshots nur noch veröffentlichen werde, wenn dies der öffentlichen Sicherheit diene. In ähnlicher Weise kündigten auch Medienhäuser an, nur noch Polizeifotos zu publizieren, wenn dies bei der Verhaftung eines Tatverdächtigen behilflich sein könne.

In Verruf ist die Praxis im Internetzeitalter zudem auch geraten, weil kommerzielle Websites damit begannen, Mugshots zu publizieren, und Geld für deren Entfernung verlangten.

Ein absolutes Novum für Amerika

Vielen bekannten Persönlichkeiten haben ihre Polizeifotos jedoch kaum geschadet. Bis heute verkaufen sich T-Shirts mit einem Mugshot der afroamerikanischen Bürgerrechtsikone Martin Luther King und seinem Zitat: «Man hat die moralische Verantwortung, ungerechte Gesetze zu missachten.» Auch der junge Frank Sinatra ist auf einem Polizeifoto verewigt. Dem 23-Jährigen wurde vorgeworfen, eine unverheiratete Frau verführt zu haben. Doch die Anschuldigungen wurden später fallengelassen, und in Erinnerung bleiben heute vor allem die zahlreichen Hits des legendären Sängers.

Das Gleiche gilt für den Computerpionier Bill Gates. Weil er die Verkehrsregeln missachtete und ohne Führerausweis unterwegs war, wurde der spätere Microsoft-Gründer 1977 verhaftet. Er nahm es sichtlich mit Humor. Auf seinem Mugshot ist Gates mit einem breiten Lachen abgebildet.

Dem Schauspieler Nick Nolte diente sein Polizeifoto gar als persönlicher Weckruf. Er ist darauf sichtlich gezeichnet von seiner Drogensucht mit struppigem Haar und ausgezehrtem Gesicht zu sehen. Nolte begab sich deshalb in eine Entzugsklinik. «1992 bezeichnete mich das ‹People Magazin› als ‹Sexiest Man Alive›, und nun zehn Jahre später sehe ich aus wie ein Verrückter», schreibt er in seinen Memoiren.

Für Jeremy Meeks war der Mugshot gar der Anfang einer erfolgreichen Model- und Schauspielkarriere. Sein im Internet kursierendes Polizeifoto sorgte dafür, dass er noch während seiner Haft von einem Talentspäher unter Vertrag genommen wurde. 2019 gründete das frühere Gangmitglied seine eigene Modelinie.

Donald Trump wird seinen Mugshot derweil vor allem mit jenen von unterdrückten Freiheitskämpfern wie Martin Luther King vergleichen wollen, so absurd dies klingen mag. Seine Kritiker könnten indes ebenfalls an düstere Figuren der Weltgeschichte erinnern: Berüchtigte Polizeifotos existieren etwa auch von Wladimir Lenin, Joseph Stalin oder Benito Mussolini. Auch ein solcher Vergleich ginge jedoch zu weit. Trump ist eine Persönlichkeit, wie sie die amerikanische Geschichte noch nicht gesehen hat. Die ganze Bedeutung seines Mugshots wird erst die Zukunft zeigen.

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